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[Gast]

Eine Freundin erzählte mir von ihrer Arbeit in der Klinik. Besonders gefiel mir die Geschichte, wie sie und ihre Kollegin mit dem neuen Pflegeschüler umging. Ich darf sie hier erzählen:

"Ein unsympathischer Typ, der neue Pflegeschüler. Das fanden auch die anderen Krankenschwestern. Norbert (Name geändert) war fast zehn Jahre älter als ich, hatte schon einige Semester Jura studiert und glaubte, alles zu können und alles besser zu wissen.

Die Gefühle, die jedesmal in mir hochkamen, wenn er sich zu einem halbstündigen Schwätzchen mit einem Patienten zurückzog, während wir anderen gerade im größten Streß rotierten, konnte ich nicht einfach abschalten - das merkte ich schnell. Ich nahm mir vor, Norbert trotzdem freundlich zu begegnen. Oft schaffte ich es nicht, und an manchen Tagen wiederholte ich meinen Vorsatz mehrmals. Kurz bevor er unsere Station verließ, mußte ich ihm gemeinsam mit einer Kollegin ein Zeugnis ausstellen. Auf Anhieb kam mir sein langsames Arbeitstempo in den Sinn, die Hartnäckigkeit, mit der er in unpassenden Momenten darauf bestand, sofort Antwort auf seine immer gleichen Fragen zu erhalten, und all die negativen Eigenschaften, die mir so ins Auge sprangen. Aber mich störte es an mir, dass ich bei den anderen immer so schnell im Negativen hängenblieb.

Meine Kollegin war da wirklich ein Glücksfall. Sie dachte wie ich, deshalb wollten wir Norbert gerecht werden und ihm ein Zeugnis ausstellen, das nicht bei unseren ersten Eindrücken stehenblieb. In einem längeren Gespräch erinnerten wir uns zum Beispiel daran, wie gut er mit den Patienten umgehen konnte. Nach und nach beförderten wir Norberts Sonnenseiten ans Tageslicht, und die brachten wir vorwiegend ins Zeugnis. Er war zunächst überrascht, und dann aber auch sehr froh darüber und bedankte sich sehr bewegt bei uns." C.G.

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[Kastanie57]

Grübel, grübel...
Vermutlich hat jeder seine Sonnenseiten. Das ist auch sehr gut so. Nur wäre es bestimmt auch sehr schön, wenn diese Seiten zumindest meistens da sein würden, wo sie gebraucht werden...

Da ich selbst aus diesem Beruf komme und sehr viele Schüler, Praktikanten usw. begleitet habe, spreche ich aus Erfahrung.

Ich hatte z.B. auf meiner Station mal einen Praktikanten (Sohn vom örtlichen Pfarrer) auf dem Weg zum Medizinstudium. (Ob er damit schon angefangen hatte, weiß ich nicht mehr.) Jedenfalls ähnelte sein Verhalten sehr dem oben beschriebenen. "Er glaubte alles zu können und alles besser zu wissen." Das ging sogar so weit, dass er eines Tages die Fehler, die eine Kollegin im Übergabebuch machte, mit rotem Stift verbesserte. Die Kollegin war kurz vor der Rente, hatte als Kind nicht allzu lange die Schule besucht, sie hatte schwer in der Fabrik gearbeitet und drei Kinder alleine groß gezogen. Und da erlaubte sich dieser junge "Schnösel", der noch nie wirklich gearbeitet hatte... Sicher hatte auch er seinen Sonnenseiten.
Ist mir gerade mal wieder eingefallen.

[Gast]

@ melanie4

Du erzählst eine Geschichte weiter, die Dir sichtlich gut gefällt. Mir gar nicht!

Statt zu dulden und runterzuschlucken und sich zu ärgern über sein Verhalten, gehört dem jungen Mann sachlich aber deutlich die Meinung ins Gesicht gesagt!

Wie sonst soll er merken, dass er etwas falsch macht?
Eine Chance, sich zu ändern hat er doch nur, wenn man ihm auch sagt, was verkehrt ist.

[Gast]

Liebe Kastanie, liebe Helalin, natürlich habt Ihr beide Recht! Ob es auch indiesem Fall zu einem ehrlichen Kritikgespräch kam, weiß ich nicht.

Aber ich denke auch: Gute Kritikgespräche müssen gelernt sein. Es kann nämlich sein, dass man in seiner Wut und Erregung die Dinge so sagt, dass sie ganz scharf herauskommen. Trotzdem müssen die Dinge klar und offen gesagt werden, denn ein Lernender muß aus seinen Fehlern lernen. Hier ist das 'Wie' entscheidend. Man kann nämlich jemand so platt bügeln, dass er am Boden liegen bleibt (ich habe sowas schon erlebt).
In einem solchen Fall wird die Menschenwürde verletzt, die jeder von uns hat.

Deshalb wäre bei einem Kritikgespräch zu beachten: Bin ich innerlich ruhig und: nach dem Negativen auch das Positive sagen.

Übrigens: Danke für Euren Beitrag!

[Gast]

OK Melanie, akzeptiert.