Die Toleranz gegenüber homosexuellen Menschen nimmt immer weiter zu. Gab es vor einigen Jahren und Jahrzehnten noch Haftstrafen und puren Hass für Homosexuelle, hat heute sogar ein großer Teil der katholischen Kirche eingesehen, dass Homosexualität akzeptiert werden müsse. Trotz dieser großen Fortschritte haben besonders ältere Schwule große Probleme, Anschluss zu finden. Es sind besonders die jungen Leute, die sich in der CSD-Szene zurechtfinden. Ältere fühlen sich hier eher fremd. Das hat vielfältige Gründe.
Alte Rollenbilder sind noch immer präsent
Es sind Klischees, die Männern und Frauen das Outing erschweren. Dabei haben Frauen mehr Schwierigkeiten bei ihrem Outing als Männer und Ältere haben mehr Probleme als jüngere Leute. Das hängt zu großen Teilen damit zusammen, welche Rollen beide Geschlechter jeweils zu erfüllen haben: Der Mann ist derjenige, der die Familie versorgt, arbeiten geht und seine Männlichkeit zur Verteidigung der Familie einsetzt.
Die Frau hingegen soll zu Hause bleiben, sich um den Haushalt und die gemeinsamen Kinder bemühen und möglichst viele Kinder zur Welt bringen. Besonders in Zeiten des Nationalsozialismus wurde dieses Rollenbild auf ein Maximum befördert. Frauen erhielten zu dieser Zeit sogar Orden des Verdienstes, wenn sie eine gewisse Anzahl an Kindern zur Welt brachten.
Heute jedoch sieht das ganz anders aus.
Der Wunsch nach freier Entfaltung steht ganz oben
Besonders Zugehörige der "Generation Y", derjenigen, die vor 2000 geboren sind, haben für sich die Frage nach dem Sinn aufgerufen. Sie suchen einen Sinn in ihrer Arbeit, ihren Freundschaften und sogar in ihrer Sexualität. In diesem Prozess der Suche nach dem eigenen Selbst wird einigen schlagartig bewusst, dass sie sich im falschen Körper gehörig fühlen. Wer eigentlich ein Mann ist, würde lieber eine Frau sein, oder fühlt sich erst recht keinem Geschlecht zugehörig.
Die jungen Leute sind es auch, die die Bewegung angeführt haben, die sich um mehr Toleranz für Homosexuelle bemüht hat. Aus diesem Grund existieren Veranstaltungen wie das Gay Treffen in Düsseldorf oder Christopher Street Days in zahlreichen Städten des Landes. Hier versammeln sich diejenigen, die sich gesehen wollen fühlen. Darunter sind jedoch nur selten auch ältere Homosexuelle.
Für alte Leute ist das Outen besonders schwierig
Das Problem an der Bewegung der jungen Leute besteht darin, dass die ältere Bevölkerung nicht gesehen wird. Das bunte, laute und schnelle Leben passt nicht zu ihrem Lebensstil. Sie wünschen sich Kommunikation mit Gleichgesinnten im ähnlichen Alter.
In zahlreichen Foren suchen ältere Menschen nach genau diesem Standard. Glücklicherweise ergeben sich immer wieder Veranstaltungen wie das Gay Treffen in Düsseldorf, bei dem auch alte Menschen zusammenkommen und sich austauschen können. Für sie ist das ein besonders wichtiger Schritt, um ihre wahre Identität an die Öffentlichkeit zu bringen.
Das Outing kommt häufig nach einem Leben mit falscher Identität
Für viele Leute, die sich nach einer langen Zeit des Versteckens endlich outen, ist es wie eine Erlösung. Über Jahrzehnte hinweg verschweigen ältere Leute ihre wahre sexuelle Identität, um die Rollenbilder, die die Gesellschaft ihnen zuschreibt, zu erfüllen. Es sind zahlreiche Geschichten bekannt, bei denen Betroffene eine lebenslange Ehe führten, in der sie mit ihrer falschen sexuellen Identität auftreten. Je länger diese Fassade aufrechterhalten wird, desto komplizierter wird das Outing.
Für Betroffene ist es dann an der Zeit, an Feiern wie dem Gay Treffen in Düsseldorf teilzunehmen. Hier können sie sich dann ein neues Netzwerk aufbauen und endlich in ihr richtiges Leben starten, in dem sie endlich verstanden werden.